Entwicklungshilfe unter Vorbehalt

Nach den Plänen für ein schärferes Asylrecht nehmen sich Politiker aus der SVP und der EDU nun die Entwicklungshilfe vor. Sie starten eine Volksinitiative, die auf eine Halbierung der Gelder hinausläuft.

Mancher Politiker beschwor sie am 1. August in salbungsvollen Worten, doch sie gerät unter Druck: die humanitäre Tradition der Schweiz. Den ersten Angriff lancierte SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz mit der Ankündigung in der «SonntagsZeitung», das Asylrecht massiv verschärfen zu wollen. In ein Asylverfahren sollen demnach nur noch Personen gelangen, die direkt aus einer Krisenregion in die Schweiz einreisen. Nun folgt die Ausweitung auf das nächste, bisher tabuisierte Kampffeld: die Entwicklungshilfe.

Mit einer Volksinitiative strebt eine überparteiliche Gruppe konservativer Politiker eine Reform der Entwicklungshilfe an, die auf eine deutliche Kürzung hinausläuft. Und im Gegensatz zur Ankündigung der SVP-Parteileitung zum Asylrecht ist das Projekt bereits weit fortgeschritten. Ein Initiativkomitee steht, die Suche nach Geldgebern läuft. Im September reichen die Initianten den Text bei der Bundeskanzlei ein.

Wie aus dem Entwurf des Texts hervorgeht, der der «Schweiz am Sonntag» vorliegt, verfolgt die Initiative drei Ziele:

  • Entwicklungshilfe fliesst nur noch in Staaten, die mit der Schweiz «adäquat» kooperieren – etwa, indem sie abgewiesene Asylbewerber oder ausgewiesene Straftäter zurücknehmen.
  • Keine Hilfsgelder werden an Länder bezahlt, deren Regierungen zwingendes Völkerrecht missachten oder ihre Bürger in ihrer «Persönlichkeitsentfaltung» einschränken. Dazu gehört die Verfolgung religiöser, ethnischer oder sprachlicher Minderheiten. Diese Bedingung soll auch gelten, wenn die Diskriminierung durch nicht-staatliche Akteure verübt wird.
  • Die öffentliche Entwicklungshilfe darf 0,5 Prozent des jährlichen Bruttonationaleinkommens nicht übersteigen.

Präsidiert wird das Initiativkomitee von SVP-Nationalrat Sebastian Frehner, dem ehemaligen SVP-Nationalrat Dominique Baettig sowie dem Zürcher EDU-Politiker Artur Terekhov, der auch als Sekretär fungiert. «Wahre Nächstenliebe besteht nicht einfach darin, Geld zu spenden», sagt Terekhov. «Wir sollten vielmehr die Eigenverantwortung der Menschen stärken.»

2,96 Milliarden Franken gab die Schweiz 2013 für die Entwicklungshilfe aus. Das entspricht 0,47 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Die Schweiz liegt damit auf Platz 8 der OECD-Länder. Entwicklungsorganisationen wie Alliance Sud fordern schon lange eine Erhöhung auf 0,7 Prozent – das sehen auch die Millenniumsziele der Vereinten Nationen vor.

Terekhov geht davon aus, dass die Ausgaben für Entwicklungshilfe bei einer konsequenten Umsetzung der Initiative wohl «rund um die Hälfte» sinken würden. «Wenn aber die Nehmerländer ihre politischen Strukturen reformieren, könnten die Hilfsgelder auch wieder auf das heutige Niveau steigen.» Dafür stehe auch der Titel der Initiative: «Für eine wahrhaftig sachdienliche Entwicklungshilfe mit Anreizsystem».

SVP-Nationalrat Frehner kritisiert, dass der grösste Teil der Entwicklungshilfe heute «in dubiosen Kanälen» versande. Für viele korrupte Regimes sei Entwicklungshilfe eine wichtige Einnahmequelle. «Indem wir solche Strukturen mitfinanzieren, machen wir die Menschen in diesen Ländern noch ärmer. Deshalb müssen wir unsere Gelder viel gezielter ausrichten.»

Politiker aus der SVP stellen die Mehrheit des Initiativkomitees. Angeschlossen haben sich auch ihre Nationalräte Verena Herzog und Oskar Freysinger, Alt-Nationalrat Thomas Fuchs, der Präsident der Aargauer Kantonalsektion, Thomas Burgheer, und der Basler Grossrat Joël Thüring. Die Stossrichtung der Initiative deckt sich mit der Haltung der SVP, die sich 2012 im Parlament gegen die Aufstockung der Entwicklungshilfe gewehrt hatte. Ihre Vertreter im Nationalrat beklagten damals einen «Geldregen ins Ausland», der lediglich der Finanzierung einer «Entwicklungshilfe-Industrie» diene.

Die angebliche fehlende Effektivität der Entwicklungshilfe ist nur ein Teil der Motivation der Initianten. EDU-Politiker Terekhov unterstreicht die Lage der Christen in vielen Empfängerstaaten: «Im Nahen Osten und in Teilen Afrikas werden unter anderem Christen wegen ihres Glaubens verfolgt. Die Christenverfolgung hat insbesondere seit dem Arabischen Frühling ein inakzeptables Mass angenommen.»

Keine Entwicklungshilfe mehr bei Christenverfolgung: Diese Forderung stellte nach den Aufständen im arabischen Bogen auch schon die CVP auf. Der Bundesrat sprach sich bisher aber stets gegen eine strikte Koppelung der Entwicklungshilfe an Bedingungen aus. Darunter würden die ärmsten Bevölkerungsgruppen am stärksten leiden. «Der Bundesrat muss nun gezwungen werden, das ganze System zu überdenken», sagt SVP-Nationalrat Freysinger. Ein Angriff auf die humanitäre Tradition sei das nicht: «Wir stellen nicht das Prinzip der humanitären Tradition infrage, sondern ihre Ausgestaltung.»

Quelle: Alan Cassidy, Schweiz am Sonntag

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