Städtische SVP-Politiker fühlen sich im Stich gelassen

Städtische SVP-Nationalratskandidaten haben es schwer, gewählt zu werden. Stadtrat Rudolf Friedli sieht einen Stadt-Land-Graben.

Strahlend begrüssen die SVP-Grossräte Erich Hess und Thomas Fuchs die geladenen Gäste des Neujahrsapéros beim Eingang des Berner Altstadtrestaurants Zunft zur Webern. Ebenso fröhlich blicken die beiden von den Kugelschreibern und Notizblöcken, die auf dem Tisch daneben bereitliegen und auf denen sie als «volksverbundene und zuverlässige» Nationalratskandidaten angepriesen werden.

Auch SVP-Stadtrat Rudolf Friedli ist an diesem Montagabend zum Händeschütteln gekommen. Nur zu gern würde auch er in den Wahlkampf um ein Nationalratsmandat steigen. Für ihn stehen die Chancen aber schlecht, am kommenden Montag in Belp von der Kantonalpartei nominiert zu werden. Die städtischen SVP-Delegierten setzen seit Jahren auf Fuchs und Hess.

Friedli fühlt sich verschaukelt
So hat Friedli sein Glück bei anderen Wahlkreisen versucht. Er hat bei der SVP Emmental und der SVP Mittelland-Süd angeklopft, ob sie ihn auf ihre Liste setzen würden. Innerhalb der SVP steht jedem Wahlkreis eine bestimmte Anzahl Linien für die insgesamt 25 Nationalratskandidaten zu, die der Kanton Bern stellen wird. Findet ein Wahlkreis keine Kandidaten, kann er seine Linien sozusagen einem anderen Wahlkreis «schenken». «Die SVP Mittelland-Süd antwortete mir, sie hätten keine Linie zu vergeben. Später erfuhr ich, dass die dritte Linie an den Wahlkreis Thun ging», sagt Friedli. Dafür hat er wenig Verständnis. «Was soll das? Zuerst müsste man doch für Kandidaten aus dem Mittelland schauen.»

Für Friedli zeigen diese Absprachen klar, dass es bei der SVP einen Stadt-Land-Graben gibt. «Es herrscht ein Unverständnis der Landteile für die Situation der SVP Stadt Bern.» In der rot-grünen Stadt sei es nämlich hart, SVP-Politik zu machen.

Stadtratskollege Simon Glauser hat ähnliche Erfahrungen gemacht. «Als Politiker mit Ambitionen ärgert man sich darüber, dass die städtische SVP wenig Chancen hat und die zwei Linien stets für Fuchs und Hess reserviert sind. Für mich ist zum Beispiel klar, ich werde nie in den Grossen Rat gewählt», sagt Glauser. Dass sich an diesem «SVP-spezifischen Problem» etwas ändern lasse, glaubt er nicht. «Schon die Frauenförderung und die Förderung von Jungen hat nicht funktioniert.»

Opfer von Vorurteilen?
Selbst SVP-Grossrat Thomas Fuchs ortet einen Stadt-Land-Konflikt innerhalb der Partei. «Den ländlichen Wählern ist es zu wenig bewusst, dass der SVP-Wähleranteil in der Stadt klein ist und wir auf ihre Stimmen angewiesen sind», sagt Fuchs. Gegenüber Stadt-Politikern herrschten Vorurteile. Selbst als SVPler werde man stets am linken Rand verortet. «Die von Bern», das seien jene, die Steuern eintrieben, heisse es oft. Es sei schwierig, dieses Bild zu korrigieren. Bisher sei es einzig der früheren Nationalrätin Elisabeth Zölch gelungen, Stimmen aus anderen Regionen auf sich zu vereinen. Zölch politisierte vor ihrer Zeit als Regierungsrätin von 1987 bis 1994 im Nationalrat. Dass die Delegierten des Wahlkreises Mittelland-Süd den Platz nach Thun abgegeben hätten, findet auch Fuchs «absurd». «Die Stadt Bern wäre näherliegend gewesen, zumal sie im selben Verwaltungskreis liegt.»

Ueli Augstburger, Präsident der SVP Mittelland-Süd und selber Nationalratskandidat, verteidigt die Vorgehensweise seiner Delegierten. Dass diese die leer stehende Linie nicht an die Stadt Bern, sondern an den Wahlkreis Thun abgeben wollten, sei kein Entscheid gegen Friedli gewesen, sondern einer für die Region. «Unsere Delegierten fühlen sich von ländlichen Kandidaten besser vertreten.» Das hänge etwa damit zusammen, dass ländliche Politiker sich eher für eine Stärkung der KMU auf dem Land einsetzten. Der Wahlkreisverband SVP-Thun wurde übrigens gleich doppelt begünstigt. Eine weitere Linie erhielt er von der SVP Oberaargau zugewiesen, weshalb letzte Woche neben den Bisherigen Adrian Amstutz und Albert Rösti drei Grossräte nominiert werden konnten: Thuns Stadtpräsident Raphael Lanz, Bergbauer Samuel Graber und Meisterlandwirt Jürg Iseli.

Weniger Stimmpotenzial in der Stadt
SVP-Kantonalpräsident Werner Salzmann verneint einen Stadt-Land-Graben. Er spricht von einer «ausgeglichenen, gerechten Verteilung der Kandidaten». Zwar hätten SVP-Kandidaten aus der Stadt prozentual etwas weniger Stimmenpotenzial, räumt Salzmann ein. Letztlich würden die Kandidaten aber wegen ihrer Fähigkeiten und nicht aufgrund der Herkunft gewählt. «Wer ins nationale Parlament gewählt werden will, vertritt den ganzen Kanton und bringt sowohl städtische als auch ländliche Themen ein.»

Für Rudolf Friedli ist die Sache indes noch nicht gelaufen. Falls die SVP Berner Jura am Montagabend Manfred Bühler auf der Nationalratsliste vorkumulieren, also zweimal aufführen könne, werde man beantragen, auch Fuchs zweimal auf die Liste zu setzen. Falls dies nicht klappt, will sich Friedli auf die zweite Linie der bernjurassischen Liste setzen lassen. Dass Bühler vorkumuliert wird, scheint jedoch ziemlich unwahrscheinlich.

Quelle: Janina Gehrig, Der Bund

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Copy This Password *

* Type Or Paste Password Here *